Stadtgeschichte(n) Folge 16: Das Geheimnis des Zinnbaums
Würde nicht die Corona-Pandemie den derzeitigen Alltag beherrschen, wäre jetzt die Zeit der Weihnachtsausstellung im Musik- und Wintersportmuseum Klingenthal. Als das Museum 1995 gleichzeitig zu seiner Eröffnung auch eine Weihnachtsausstellung zeigte, sorgte ein Objekt für besonderes Aufsehen: Ein Zinnbaum. Dieser gehört bis heute zum Fundus des städtischen Museums und nicht minder zieht er immer noch staunende Blicke auf sich. Auch umgibt ihn bis heute das Rätsel seiner Herkunft, dass selbst führende Kunsthistoriker großer Museen bisher nicht lösen konnten.
Einzig die Beschreibung fällt leicht: An einem konischen Messingstamm sind fünf Ringe angebracht, in welche verzinnte Drähte als Zweige eingehängt sind. Diese wiederum halten kleinere Äste mit Laublättern. Alle Blätter bestehen aus Zinn, einem sehr weichen Schwermetall, welches im Erzgebirge, und damit auch in der Gegend um den Schneckenstein in unmittelbarer Nachbarschaft Klingenthals in großen Mengen vorkommt. Sowohl das Zinn der Laubes, als auch das Messing des Stammes sind vertraute Grundstoffe der Instrumentenfertigung. Demnach liegt die Vermutung durchaus nahe, dass der Baum regional problemlos auch in Serie gefertigt werden hätte können. Der Zinnbaum im Klingenthal ist nämlich nur wegen seiner Größe von insgesamt 1,20 Metern einzigartig. Zinnbäume selbst sind auch Teil weiterer musealer Sammlungen in der Region, auch das Klingenthaler Museum besitzt einen zweiten, kleineren und restaurierungsbedürftigen Bausatz.
Eine kleine Arbeitsgruppe bemühte sich bereits mit Museumsgründung mehr über den Baum herauszufinden, jedoch ohne Erfolg. Experten des Museums Karlovy Vary erklärten damals, die Herstellung der Blätter sei mittels Zinngussfolie erfolgt, bestätigt wurde dies im Bergbaumuseum der TU Freiberg. Prager Kunstgewerbeexperten ordneten die Herstellung des Blattwerks zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Dass der Zinnbaum jünger war, als ursprünglich erhofft – eine These sah den Ursprung in mittelalterlichem Kirchenschmuck – wird auch dadurch plausibel, dass für den zweiten Zinnbaum im Klingenthaler Museum ein passender Karton existiert. Dieser ist den Maßen des Bausatzes genau angepasst, hat jedoch keinerlei Aufschrift. Genauso wenig besitzt der Zinnbaum eine Punze, welche die Herkunft oder gar die Identität des Kunsthandwerkers offenbaren würde. Die Zinngussfolie jedenfalls wurde in einem zweiten Arbeitsschritt geprägt, schließlich noch ausgestanzt. Dass es sich beim Besatz um Laubblätter handelt, ist dabei kunsthistorisch nicht außergewöhnlich. Geschichtlich beginnt der Brauch des heutigen Weihnachtsbaumes nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Doch noch war es kein Nadelbaum, der besonders in „höheren Kreisen“ als Schmuck um die hohen Feiertage diente, sondern ein Laubbaum: An Weihnachten versuchte man kleine Bäume oder einzelne Äste zum Blühen zu bringen – ein Symbol der Hoffnung auf die Wiedergeburt nach dem Tod. Bis heute wird der Barbarazweig traditionell am 4. Dezember in die Häuser geholt um der Schutzheiligen gegen Blitz und Donner zu gedenken.
Kunsthistoriker konnten das Geheimnis der Zinnbäume also bisher nicht vollständig lösen. Das aber tut dem Zauber des Klingenthaler Zinnbaumes keinen Abbruch. Leider kann Corona-bedingt in diesem Jahr keine Weihnachtsausstellung im Musik- und Wintersportmuseum Klingenthal stattfinden. Der Zinnbaum wartet im Depot auf seinen Auftritt 2021. (XB)
Obwohl der Zinnbaum ein fester Bestandteil der Weihnachtsausstellung ist, hat er noch lange nicht all seine Geheimnisse offenbart.